Die Farbe kehrt zurück!

Text by Dr. Thomas Hirsch, published in „riding on the sun’s rays“, Dorothea Breick, Lerab Ling 2018

Sehr verhalten zwar, aber das liegt am Bildlicht und es hangt mit dem Sujet zusammen, welches in dieses gehüllt ist: In ihren Malereien des Jahres 2016 widmet sich Dorothea Breick der Landschaft in Südfrankreich, dort wo sie – in Lerab Ling, nahe Montpellier – einen großen Teil ihrer Zeit verbringt. Der Horizont setzt meist tief ein, die Anhöhen verlaufen sanft, die Vegetation ist betörend karg, die Landschaft im Sonnenlicht fast wie ausgebrannt. Die Sonne selbst ist nicht zu sehen, dafür ist eine leichte Bewölkung inmitten des blauen Himmels auszumachen. Die Ansicht ist überschauend, noch auf der Erde einsetzend und die Landschaft in ihrer Weite erfassend, so dass das Querformat als Panorama selbstverständlich ist. Die Formate sind ziemlich klein, in ihrer Ausrichtung wirken sie fast wie Sehschlitze. Gesteigert noch durch die völlige Abwesenheit von Menschen, vermittelt sich eine ausgesprochene Intimität. Es scheint manchmal, als sei Dorothea Breick lediglich ein paar Schritte weitergegangen oder gerade mal zur Seite getreten, um ein neues Bild zu malen. Sie lässt uns damit allein. Aber ihr Blick ist verführerisch und erzeugt einen Sog in die Tiefe, in der die Ackerfurchen parallel verlaufen und sich Bäume zu beidenSeiten eines Feldes staffeln. Dann wieder wächst seitlich oder frontal Gebüsch, dahinter öffnet sich die Natur als monumentales steigendes oder fallendes Plateau, in dem wir – winzig, unsichtbar – aufgehen. Die Teilhabe ist mit Demut verbunden.

Dorothea Breick transzendiert die Verfasstheit der Landschaft mit heiterer Leichtigkeit. Sie überträgt – plein air – das Ertasten mit den Augen auf die Leinwand: wie ein Nachbild auf der Netzhaut, das sie aber für die Dauer ins Positiv und damit ins Licht wendet. Konserviert ist die Aura derLandschaft. Sehen ist hier Erkenntnisprozess, sich über die Natur und ihre Bedeutung im klaren zu werden.

Himmel und Erde sind gleich gewichtig. Und doch, die Unendlichkeit trifft auf die Endlichkeit des erdverbundenen Wachstums. Dazu gibt es die etwas früher entstandenen Bilder mit dem Geäst und den Blüten im engen Ausschnitt. Die Kargheit wird zur Fülle. Im übrigen, dort, in der Landschaft, in den Bildern, hört man die Stille als Klang der brütenden Natur und spürt den Erdboden gleichmäßig pochen. Als Betrachter, die wir durch das Einsetzen der Landschaft zu unseren Füßen, die Vergitterung im Vordergrund und die zentralperspektivisch notierten Wege direkt einbezogen sind, empfinden wir ein Ausgesetzt- und Isoliert-Sein. Es sind Bilder der Ratlosigkeit im Unabgelenkten und mithin Ereignislosen der Szenarien. Und es sind Bilder der Erfüllung, der Offenbarung von Einfachheit. Schließlich geht es um mentale Fragilität, eine Vergegenwärtigung der physischen und psychischen Existenz und um Verantwortung. – Es ist ein Glück, dass Dorothea Breick uns an ihrem Sehen und Erfahren teilhaben lässt mit ihren lichten, transparenten, wie schwebenden, dadurch sich verselbständigenden Farben: in gänzlich gelassener Einmaligkeit.

Thomas Hirsch